Ein thematischer Schwerpunkt unserer Seminare ist die Lebens- und Berufsorientierung. Die bisher durchgeführten Seminare dauerten zwischen drei und fünf Tage und hatten je nach Zielgruppe unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte. Ziel war es, dass die Jugendlichen sich intensiv mit ihrer eigenen Lebensplanung und der Rolle von Erwerbsarbeit in ihrem weiteren Leben auseinandersetzen. Dieses Ziel wurde auch in jedem der Seminare erreicht.
Im Folgenden möchte ich von der konkreten Umsetzung eines Seminars zum Themenfeld Lebens- und Berufsorientierung berichten:
Zur Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensplanung wurden interaktive Übungen (biographischer Ansatz) eingesetzt. Die Methode eignet sich gut, die eigene Lebensplanung zu reflektieren und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu diskutieren. Den Teilnehmenden konnten hierbei Widersprüchlichkeiten und Zusammenhänge verdeutlicht werden. Individuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten wurden thematisiert und mit dem am Markt nachgefragten Qualifikationsprofil konfrontiert. Den Teilnehmenden fiel es oft schwer, Widersprüchlichkeiten selbst zu entdecken. Diskussionspunkte waren die (Un-)Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Schulnotensystem als Form ungleicher Startbedingungen.Durch Internetrecherchen und Bearbeitung diverser Unterlagen wurde den Teilnehmenden die Vielfalt von Ausbildungsberufen vermittelt. Sie begriffen, private und berufliche Interessen zu unterscheiden und Qualifikationen und Fähigkeiten zu identifizieren. Die Teilnehmenden haben sich mit Alternativen zur (Über-)betrieblichen Berufsausbildung auseinander gesetzt. Allerdings wollten sie nicht gerne mit der Realität des schlechten Ausbildungsstellenangebotes konfrontiert werden. Diskussionen in Richtung Selbstverantwortung, Initiative und Flexibilität waren sehr oberflächlich. Die Teilnehmenden hatten sich teilweise noch nicht mit dem Gedanken auseinandergesetzt, eventuell demnächst ihre Heimatstadt zu Gunsten eines Ausbildungsplatzes verlassen zu müssen. In andere Bundesländer zu gehen, war für sie nahezu undenkbar.
Die Teilnehmenden erhielten Kenntnisse über die weiteren Schritte bis zum Ausbildungsplatz, u.a. über das Erstellen von Bewerbungsunterlagen. Der Schwerpunkt wurde hier auf die Begründungszusammenhänge, "warum interessiert mich gerade dieser Ausbildungsberuf" und "warum bewerbe ich mich gerade in dieser Institution" gelegt. Die Konfrontation mit Fragen, die sie immer neu für sich klären mussten, und mit Standpunkten, die sie immer wieder neu verteidigen mussten, fiel den Teilnehmenden sehr schwer, wurde aber bei der Auswertung positiv erwähnt und als gute Vorbereitung für die Ausbildungsplatzsuche benannt. Auch der Umgang mit den eigenen Stärken und Schwächen forderte sie sehr. So resümierten sie einerseits, dass dieser Programmpunkt sehr anstrengend gewesen sei, aber auch, dass die Auseinandersetzung ihr Selbstbewusstsein gestärkt hätte. Durch die sehr verkürzte Simulation eines Assessment-Centers und die Durchführung von Einstellungsgesprächen in Form von Rollenspielen wurden ihnen weitere Schritte des Bewerbungsverfahrens vermittelt. Die Teilnehmenden waren hier mit Ernst bei der Sache. Man merkte, dass dies für sie greifbarer war, da es wieder mehr mit ihrer unmittelbaren Situation zu tun hatte.
Die vermittelten Inhalte und Methoden wurden am Ende des Seminars mit den Teilnehmenden ausgewertet. Offene Fragen, Erwartungen und Befürchtungen, die am Anfang des Seminars standen, wurden geklärt bzw. reflektiert. Hierbei wurde deutlich, dass sich die Jugendlichen dieser Altersgruppe bei der Berufsorientierung bzw. der Frage "Was passiert nach der Schule?" etc. ziemlich allein gelassen fühlen.
Bei den Seminaren zur Berufsorientierung haben wir oft das Gefühl, dass den Teilnehmenden die Situation am Arbeitsmarkt nicht richtig bewusst ist. Für die Motivation ist das eventuell ein Vorteil, für eine realistische Einschätzung dessen, was in nächster Zeit auf sie zukommen bzw. von ihnen verlangt werden wird, ist es eher hinderlich.